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Baubürgermeister Prof. Dr. Martin Haag, Freiburg:

„Man sieht sich, trifft sich, redet miteinander: Fußgängerfreundliche Städte und Gemeinden fördern den sozialen Zusammenhalt.”

27.07.2022

„Wir waren mutig und sind dafür belohnt worden.“

Jasdeep Singh (31) ist Leiter der Stabstelle Mobilität der Stadt Esslingen. Im Interview spricht er über die jüngste Auszeichnung seiner Arbeit und die Herausforderungen der Rad- und Fußverkehrsförderung.

Eine Frau und zwei Männer stehen auf einer Bühne und halten gemeinsam eine Urkunde in die Kamera.

Jasdeep Singh und eine Kollegin nahmen den Preis von Verkehrsminister Winfried Hermann im Rahmen des 2. RadKONGRESS entgegen. Foto: Verkehrsministerium Baden-Württemberg/Ben van Skyhawk

Herr Singh, die Stadt Esslingen ist für die Einrichtung der Fahrradstraße Hindenburgstraße mit dem Landespreis Infrastruktur ausgezeichnet worden. Was ist so besonders an dieser Straße?

Wir hatten den Mut, eine durchgängige Fahrradstraße zu machen, die äußere Stadtteile mit dem Zentrum verbindet. Fahrradstraßen sind normalerweise Wohnstraßen. Die Hindenburgstraße war eine sogenannte Sammelstraße, die als Zubringer für Landes- und Bundesstraßen fungiert und parallel zu einer Landesstraße verläuft. Wir haben zwei Diagonalsperren eingerichtet, damit die Durchfahrt für den Kfz-Verkehr unterbunden wird. So haben wir dem Radverkehr Priorität eingeräumt. Früher war die Hindenburgstraße ein Unfallschwerpunkt. Jetzt ist klar: Radfahrer*innen haben Vorfahrt. Außerdem waren wir eine der ersten Städte, die auf die Musterlösungen des Landes für Fahrradstraßen zurückgegriffen hat.

Was bedeutet der Preis für Sie und Ihre Kolleg*innen?

Es ist zunächst mal ein Stück Anerkennung für unsere Arbeit. Es hat sich gelohnt, konsequent zu bleiben, trotz aller Kritik, die wir auch einstecken mussten. Für die Anwohner*innen ist es schön zu sehen dass, wir hier in Esslingen Vorbild sind. Eine Woche nach der Preisverleihung hatten wir eine Info-Veranstaltung zu den Diagonalsperren. Da hat es sehr geholfen, sagen zu können: Schaut mal, wir waren mutig und sind dafür belohnt worden.

Als Preis haben Sie eine Rad-Service-Station gewonnen. Ist schon entschieden, wo diese aufgestellt wird?

Das entscheiden wir nicht allein. Wir gehen mit Vorschlägen auf die Verbände wie den ADFC oder den VCD zu. Sie vertreten die Radfahrer*innen und wissen am besten, wo eine solche Station am meisten gebraucht wird.

Sie sind nicht nur für Rad- und Fußverkehr zuständig. Was sind die besonderen Herausforderungen für die Verwaltung, wenn es um die selbstaktiven Verkehrsmittel geht?

Radfahrer*innen und Fußgänger*innen sind besonders schutzbedürftig. Außerdem gibt es hier besondere Erwartungen von Menschen, die mit Einschränkungen mobil sind. Deshalb muss man in diesem Bereich mehr auf die Menschen zugehen und sie an Planungen beteiligen. Aber wenn es zum Beispiel um ältere Mitbürger*innen oder Kinder geht, ist das gar nicht so leicht. Zum Glück steigt das Bewusstsein in der Politik dafür, dass Fuß- und Radverkehr mehr Raum brauchen.

Das deutsche Verkehrsrecht gilt als Bremsblock, wenn es um Rad- und Fußverkehr geht. Ist das auch Ihre Erfahrung?

Beim Radverkehr hat sich auf Bundes- und Landesebene schon viel getan. Da haben wir inzwischen mehr Flexibilität. Beim Fußverkehr ist da aus meiner Sicht noch viel Luft nach oben. Und wir müssen auch daran denken: Wir brauchen nicht nur Rad- und Fußverkehr, sondern auch blau-grüne Infrastrukturen, welche die Stadt im Sommer kühlen und Platz zum Verweilen und Flanieren bieten.

Das Land unterstützt die Kommunen durch die Rad- und Fußverkehrsförderung. Esslingen war Gründungsmitglied der AGFK. Wie sehen Sie die Zusammenarbeit von Land und Kommunen?

Wir haben Ansprechpersonen beim Land, die uns helfen neue Wege zu finden. Da sind wir ziemlich zufrieden. Auch die Zusammenarbeit mit der AGFK war immer positiv. Da ist eine Entwicklung zu beobachten. Die AGFK hat inzwischen nicht nur Kompetenzen beim Rad- und Fußverkehr, sondern auch darüber hinaus. Es gibt mehr Personal, auch weil die Koordination bei der NVBW liegt. Durch eine Kombination der Fördermittel von Bund und Land, etwa beim Förderprogramm „Stadt und Land“ haben wir für Radverkehrsprojekte inzwischen Förderquoten von 90 Prozent. Ich wünsche mir eine ähnliche finanzielle Unterstützung auch für den Fußverkehr.

Esslingen liegt an der geplanten Radschnellverbindung RS4, die Filstal und Neckartal Richtung Stuttgart verbinden soll. Was verspricht sich Esslingen davon?

Ich bin selbst eine Zeit lang von Stuttgart nach Esslingen gependelt, ohne Radschnellweg. Mit einer Radschnellverbindung würde das deutlich schneller gehen. Wir wissen: Die Leute fahren nicht Rad, weil es dem Klimaschutz dient. Sie fahren Rad, weil es Spaß macht und gesund und preiswerter ist. Wenn wir schnelle und durchgängige Verbindungen bieten, steigen mehr Menschen um. Als Stadt müssen wir dafür sorgen, dass alle Stadtteile eine sichere und komfortable Zubringerachse zum RS4 haben.

Erlauben Sie uns zum Schluss eine persönliche Frage: Sie haben Ihren Bachelor in Ingenieurswissenschaften in Surat, Indien gemacht, den Master in Infrastrukturplanung dann an der Universität Stuttgart. Wie kam es dazu?

Nach dem Studium habe ich in Delhi an einem riesigen S-Bahn-Tunnel Projekt gearbeitet. Beteiligt waren auch einige österreichische Ingenieure, die mir empfohlen haben, in Deutschland zu studieren. Ich habe mich in Stuttgart schnell wohl gefühlt und bin gut in Deutschland angekommen.

Wenn man in einer Metropole wie Delhi einen S-Bahn-Tunnel gebaut hat, fühlt sich eine Fahrradstraße in Esslingen wahrscheinlich wie eine leichte Übung an, oder?

Jedes Projekt hat seine eigenen Herausforderungen. Aber ja, das Projekt in Delhi war größer als Stuttgart 21, und wir haben unseren Teilabschnitt in drei Jahren fertiggestellt. Das gibt einem schon das Gefühl: Du kannst was bewegen.

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